Ein Kirchenmann voll Tatkraft, Strenge und Güte
Von Hermann-Joseph Rick
Der Blick auf den heiligen Bischof Badurad kann nicht an den Anfängen unserer Gilde vorbei gleiten. Als es um den Namen unserer Gilde ging, wurde natürlich Liborius vorgeschlagen. Der kam jedoch nicht in Frage, weil in Paderborn bereits eine Liborius-Gilde existierte. Unter den Vorschlägen, die dann folgten, waren der Bischof Meinwerk und eben Bischof Badurad, in dessen Amtszeit die Translation des heiligen Liborius fiel. Auf sie komme ich noch zurück. Die Entscheidung der Gilde-Freunde fiel schließlich auf Meinwerk, weil er der Bekanntere war. Badurad war nur knapp unterlegen. Er könnte damit als so etwas wie der Co-Patron unserer Gilde gelten.
Auch wenn es zutrifft, daß er weniger bekannt ist als Meinwerk, ist er doch eine markante Gestalt in der Frühgeschichte unseres Bistums. Ich stütze mich im Folgenden vor allem auf die Vita, die ihm Hans Jürgen Brandt und Karl Hengst in ihrem Buch „Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn“ widmen, ziehe aber auch die Hinweise auf Badurad im ersten Band der „Geschichte des Erzbistums Paderborn“ zu Rate sowie die Hinweise auf ihn im ersten Band der “Geschichte Paderborns in ihrer Region“.
Die Lebensdaten von Bischof Badurad sind – soweit sie überliefert wurden – schnell genannt. Er wurde um 780 in einer hoch edlen sächsischen Familie geboren, jedenfalls noch zu Lebzeiten Karls des Großen und der Gründung unseres Bistums. Ludwig der Fromme ernannte ihn 815 zum Bischof. Badurad starb am 17. September 862 und wurde in seinem Dom begraben. Sein zweiter Nachfolger, Bischof Biso (887-909), erhob seine Gebeine „zur Ehre der Altäre“, der damaligen Form der Heiligsprechung. Gehen wir von dem angenommenen Geburtsjahr 780 aus, dann wurde er 82 Jahre alt und war 47 Jahre Bischof von Paderborn – das ist eine der längsten Amtszeiten unter den Paderborner Bischöfen.
Wie sein Landsmann Hathumar kam Badurad als Jugendlicher oder junger Mann nach Würzburg, dessen Bischof damals die Sorge für das Bistum Paderborn trug. Hier wurde er mit Hathumar in der Domschule erzogen und erhielt auch dort die Tonsur als Würzburger Kleriker. Wie Hathumar gehörte auch Badurad zu einer Gruppe von Klerikern, die sich um die Christianisierung der Sachsen bemühte. Nach dem Tod von Bischof Hathumar erhielt Badurad, wie gesagt, die Bestellung zum Paderborner Bischof. Die Weihe erteilte ihm Erzbischof Heistulf von Mainz, zu dessen Metropolie Paderborn gehörte.
Um das Bistum zu stabilisieren, führte Badurad das von seinem Vorgänger Begonnene fort, setzte jedoch durchaus eigene Akzente. Seine Hauptsorge galt der Festigung des Glaubens bei den christlichen Sachsen. Er führte aber auch noch heidnische Sachsen zur Taufe. Für sie alle ließ er Pfarrkirchen errichten und sorgte für deren würdige Ausstattung, bis hin zur Anschaffung von Glocken. Gleichzeitig weihte er die notwendige Zahl von Priestern. Noch heute hat manche Kilianskirche in unserm Bistum dort ihren Ursprung.
Besondere Aufmerksamkeit schenkte er der von Hathumar gegründeten Domschule. Sie stand nicht nur Adelingen offen, sondern ebenso Jungen und Jugendlichen niederer Herkunft. Wie sehr die Domschule auch hinsichtlich des Lehrangebotes gewachsen war, mag daran erkennbar sein, daß der unmittelbare Nachfolger Badurads, Bischof Liuthard (862-887), aus der Paderborner Domschule hervorgegangen war. Und was neu war: Unter Badurad sind erste caritative Dienste für Arme und Kranke erkennbar.
Badurad straffte die Bistumsleitung. Zu seinen engsten Mitarbeitern zählten der Vogt Folodag zum Schutz von Personen und Institutionen – also eine Art Rechtsberater – und – für pastorale Fragen – der Archidiakon Meinolf, der am ehesten mit dem heutigen Generalvikar vergleichbar ist. Dem Domkapitel verordnete er eine strengere Lebensweise, indem er die sog. Aachener Kanonikerregel einführte, die die vita communis forderte. Dieser Beginn des Domklosters weist Bischof Badurad den damaligen Reformbischöfen zu.
Nicht zu vergessen ist Badurads Bemühen um das klösterliche Leben. Um nur die am meisten bedeutenden zu nennen: Er unterstützte die Gründung von Corvey, das er wiederholt besuchte und dem er wahrscheinlich auch die kirchliche Weihe gab. Er dedizierte 832 die Kirche des Klosters in Herford, dem später berühmten Damenstift. Am Ende seines Episkopates haben wir eine für die damalige Zeit blühende Klosterlandschaft vor uns, in der allerdings die Frauenklöster dominierten.
Es wäre zu eng gesehen, nur sein Engagement für sein Bistum zu würdigen. Er suchte und fand die Verbindung zu anderen Bischöfen. Die Gelegenheit dazu boten ihm die Provinzialsynoden. Sie gaben Einblicke in die einzelnen Sprengel, auch in seinen eigenen, und deren Entwicklungen. Auf einer dieser Synoden wurde Badurad einfach als „Saxorum praesul“, als Sachsenbischof bezeichnet. Dieser Titel würdigte seinen beispiellosen Einsatz für eine geregelte Seelsorge in seinem Bistum. Wenn irgendwo der Titel Sachsenbischof auftaucht, kann nur Bischof Badurad gemeint sein.
Bedeutender als die Provinzialsynoden waren für Badurad die Reichstage. Der Sachsenbischof stand in unverbrüchlicher Treue zu Kaiser Ludwig dem Frommen. Dieser konnte sich unbesehen auf die Zuverlässigkeit Badurads verlassen. Wie sehr der Kaiser ihn schätzte, zeigte sich unter anderem in der Verleihung der Grafenrechte für dessen Besitzungen; eine frühe Ahnung des späteren Hochstiftes. Hierfür spricht auch die Verleihung des Immunitätsprivilegs, das der Nachfolger Ludwigs des Frommen, Ludwig der Deutsche, bestätigte. Das gegenseige Vertrauen veranlaßte den Kaiser zudem, Badurad als „missus regius“, als Königsbote, zu beauftragen,und als Schiedsrichter in aufbrechenden Händeln zu fungieren. Hier zeigte sich die diplomatische Begabung des Bischofs, insbesondere, in der Causa des Erzbischofs Ebo von Reims (816-845).
Der hatte sich auf die Seite der Kaiser-Söhne geschlagen, als die sich gegen ihren Vater erhoben. Wer gegen den Kaiser agiert, verfällt der Strafe. Das traf auch Ebo. Er wurde seines Amtes als Erzbischof von Reims enthoben und konnte in Fulda, später in Herford, über sein Verhalten nachdenken. Bischof Badurad hatte diesem harten Urteil zugestimmt. Nach einigen Jahren wurde der Fall Ebo erneut verhandelt. Der Abgesetzte durfte frei einen Anwalt benennen und er wählte ausgerechnet den kaisertreuen Badurad. Diesem gelang es, das Urteil gegen Ebo aufzuheben und ihn wieder als Erzbischof von Reims einzusetzen. Die Episode zeigt, wie sich in Badurad Strenge und Güte vereinten.
Auch während der Reichstage vergaß der Sachsenbischof sein Bistum nicht. Hier begegnete er wiederholt dem Bischof Aldrich von Le Mans. Den bat er um den Leib eines Heiligen, weil sein junges Bistum noch keinen eigenen Heiligen hatte. Translationen waren in dieser Zeit keine Seltenheit. Wir wissen z.B. um die Überführung des heiligen Vitus nach Corvey und die des heiligen Landoninus nach Boke, später nach Flechtdorf. Bischof Aldrich entsprach der Bitten seines Amtsbruders und bestimmte dazu den heiligen Liborius, den vierten Bischof von Le Mans. Bischof Badurad beauftragte seinen Archidiakon Meinolf und seinen Vogt Folodag, den Heiligen zu holen. Bei der feierlichen Übegabe der Relquien in Le Mans schlossen die beiden Kirchen den „Liebesbund ewiger Bruderschaft“, der bis heute in Geltung ist. Danach kehrten die Paderborner Gesandten nach Hause zurück und setzten die Reliquien unter dem Jubel der Paderborner Gläubigen im Dom nieder.
Badurad mag von all dem nur gerüchteweise gehört haben. Er weilte zu jener Zeit in der Kaiserpfalz zu Diedenhofen (Lothringen). Doch nach seiner Rückkehr wandte sich sein Interesse dem kostbaren Heiligtum zu. Er ließ westlich vom noch unvollendeten Dom eine Ringkrypta bauen, in die er die Reiliquien beisetzte. Die Gläubigen hatten die Gelegenheit, an der einen Seite die Ringkrypta zu betreten, den Reliquien ihre Verehrung zu erweisen und die Ringkrypta an der anderen Seite wieder zu verlassen. Sodann ordnete Badurad an, den Jahrestag der Ankunft des heiligen Liborius festlich zu begehen. Hier liegt der Ursprung der heutigen Libori-Feierlichkeiten. Ob Badurad wohl bedacht hat, daß er mit seiner Jahresfeier eine zwölfhundert Jahre währende Tradition angestoßen hat? Der Blick auf Bischof Badurad hat uns einen Kirchenmann gezeigt, der voller Tatkraft für sein Bistum sorgte. Er setzte Fakten, die weit in die Zukunft führten, zum Teil bis heute. Er ging bei Regel-Verstößen hart und streng vor, den Schuldiggewordenen aber begegnete er mit verzeihender Güte. Alles in Allem gesehen können wir mit Recht sagen: Mit dem Tod von Bischof Badurad fand der Aufbau unseres Bistums seinen vorläufigen Abschluß. Sein Nachfolger, Bischof Liuthard übernahm ein gesundes Bistum, in dem er die Arbeit Bischof Badurads erfolgreich weiter entwickeln konnte.
Literatur:
Hans-Jürgen Brandt, Karl Hengst: Die Bischöfe und Erzbischöfe von Paderborn, Paderborn 1984.
Dies.: Geschichte des Erzbistums Paderborn, Band 1: Das Bistum Paderborn im Mittelalter, Paderborn 2002.
Frank Göttmann, Karl Hüser, Jörg Jarnut (hrsg.): Paderborn, Geschichte der Stadt in ihrer Region, Band 1: Das Mittelalter, Paderborn 1999.